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Die Navigation der Sinn-Vision

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In diesem Beitrag erfahren Sie, in welchem Spannungsfeld Sinn-Visionen artikuliert werden, wie die Führungskräfte-Beratung eines mittelständischen Industriedienstleisters durchgeführt wird, wie eine Sinn-Vision entwickelt wird,wie sich Sinn-Visionen unter Anwendung eines 7-Stufen-Entwicklungsprozesses in der Betriebskultur verfestigen und welche Methoden dabei angewendet werden.
Corporate Social Responsibilityist ein Trend geworden. Heutige Pionierunternehmen greifen gerne zur Gemeinwohlbilanz, nicht zuletzt,da ausgewiesene Redlichkeit über eine positive Signalwirkung bei der Klientelverfügt. Doch handelt es sich bei dem neuen Glaubens-bekenntnis zu Respekt, Integrität und Nachhaltigkeit nur um eine Marketingstrategie, wie Armin Nassehi imVorwort zum neuen Kursbuch fragt (vgl.Nassehi 2012)? Mitnichten: „Mit Sinn zum nachhaltigen Erfolg“ lautet die Effizienzformel werteorientierter Führung. So prognostizierte Anna Maria Pircher-Friedrich im Zeichen dersogenannten zweiten Welt-wirtschaftskrise: „Eine Kombination von leidenschaftlicher Professionalität und ,neuer‘ Menschlichkeit in und um Unternehmen könnte zu einer Steigerung von Produktivität und Wachstum sowie Sinn und demnach Lebensqualität führen“ (Pircher-Friedrich 2005, S. 49). Die Nachhaltigkeit selbst ist zur Message des Erfolges geworden.
„Wie man weiß,ist eine Hierarchie erststabil, wenn siemindestens drei Stufen aufweist,weil dann diemittlere (oder diemittleren) damit beschäftigt ist (odersind), die untere als Konkurrent unten und die obere als Ziel der eigenen Aufstiegsbemühungen oben zu halten“ (Baecker 2011, S. 19). Das Modell derstarren Hierarchien hat innerhalb der postklassischen Netzwerkorganisationen ausgedient. „In der Netzwerkorganisation wird die Hierarchie nicht überflüssig,sondern flüssig“ (Baecker 2011, S.8). Multipliziert und temporalisiertwird sie für die Führung zu der Herausforderung, „sowohl die Heterarchie zu pflegen als auch die Hierarchie zu suchen und zu unterlaufen“ (ebd.). Ist es das Ziel der Organisationsentwicklung, die synergetischen Ressourcen freizulegen,sollte die Beobachtung der Eindeutigkeit der Unterscheidung von oben und unten auf die Mehrdeutigkeit des Zirkels umgestellt werden. „Die wichtigste Diskussion,vor der der Manager heute steht, ist jedoch nicht mehr diejenige um Arbeitsteilung, Hierarchie und Projektorganisation, sondern diejenige der Gestaltung und Kontrolle von Netzwerken“ (Baecker 2011, S. 24).
Doch wie sehen nun Sinn-Visionen aus, und wie können sie kategorisiert werden? Nehmen wir aus Gründen der Anschaulichkeit Kennedys Vision von einem Astronauten, der sich auf dem Mond bewegt. Dazu bedienen wir uns der Kriterien-Auflistung „Kommentierte Unternehmensvisionen“ (vgl. Merath 2008). Ursprung: PräsidentJohn F.Kennedy.Vision: ein bemannter Raumflug auf den Mond. Nutzt anderen: ja, die Vision fördert das amerikanische Selbstbewusstsein im Zeichen des Kalten Krieges. Ist emotional: ja, die Vision ist getragen von einem Wettbewerbsgedanken. Fokussiert: ja. Groß: ja, die Vision bewegt eine ganze Generation. Einfach: ja, das Bild ist einfach: Mann/Mond. Leidenschaft und Stärken: ja, sowohl als auch. Gesamteinschätzung: eine klare und prägnante Vision, die eine ganze Generation in ihren Bann geschlagen hat. Wir sehen ein erstes Raster,mit dem sich Sinn-Visionen kategorisieren lassen. Dieses Raster lässt sich im Folgenden problemlos auf den Sinn-findungsprozess eines mittelständischen Industriedienstleisters übertragen. Bei dem gewählten Praxisbeispiel handelt es sich um ein Unternehmen mit schlechtem inner-betrieblichem Klima, welches das Miteinander und die Kommunikation schädigt, und diesschlägt auf Kunden über.– Bedarf: Entwicklung einer Sinn-Vision zur Stärkung der innerbetrieblichen Identifikation.
Nach der Auftragsklärung beginnt zwischen der Leitungsebene und dem Coach der Ent-wicklungsprozess der Sinn-Vision. Hierbei können die Kategorien, die bereits bei der Vision vomMann auf demMond vorgestelltwurden, hilfreich sein. Ursprung: mittelständisches Unternehmen. Vision: Wir wollen eine vorbildliche Unternehmenskultur für alle Mitarbeiter und Kunden. Nutzt anderen: ja, die Vision gibt den Mitarbeitern das Wirgefühl der Wert-schätzung, Fürsorge und Identität. # Ist emotional: ja, denn dieWerteorientierung steht im Mittelpunkt. Fokussiert: ja, da Konzentration auf Führung, Kommunikation und Beziehung. Groß: ja, denn es handelt sich um eine mutige Investition in die Führungskräfte-Entwicklung innerhalb dieser Branche. Einfach: ja,sieben Stufen à zwei Seminartage zuzüglich (Einzel-) Coachings auf zwei Jahre. – Leidenschaft und Stärken: ja, Reflexion der Firmenphilosophie und der Führungsgrundsätze. Gesamteinschätzung: nachhaltige Interventionen in die Führungskräfte- und Mitarbeiterentwicklung mit dem Ergebnis einer wesentlich höheren Zufriedenheit der internen und externen Kunden. Geschäftsführung (A),Bereichsleitung (B) undAbteilungsleitung (C) bilden drei Einheiten, die in sieben Stufen den Entwicklungsprozess der Sinn-Vision durchlaufen. Die sieben Stufen gestalten sich wie folgt. 1. Stufe:A, 2. Stufe: B, 3. Stufe: C, 4. Stufe:A/B, 5. Stufe: B/C, 6. Stufe:A/B/C, 7. Stufe:A/B/C. Die Stufenplanung umfasst: - Zielerklärung, - Erwartungsabfrage, - Input (systemische Grundlagen der Führung), - Zielpyramide, - Analyse intern: Stärken/ Schwächen, - Analyse extern: Chancen/Risiken (SWOT) etc.
Im Prozessverlauf ist mit Wider-stand der Teilnehmer zu rechnen, schließlich geht es um die Förderung der Resilienz. Und Resilienz zu fördern bedeutet, die vertraute Komfortzone der schrittweisen Adaption und des erst einsetzenden Krisenmanagements zu verlassen. Tatsächlich erfordert Resilienz eine strategischere Denkweise zumAufbau von Governance-Systemen, die über bloße Korrektur von Störungen und Fehlern hinaus wirken (Willke 2011). Um den Prozessverlauf zu skizzieren, bedienen wir uns eines Modells aus der organisations-psychologischen Forschung (Becker/Labucay 2012, S. 8). Inspiriert von Elisabeth Kübler-Ross Sterbephasen-Modell,wird anhand von acht Phasen der Reaktionsablaufvon der Ankündigung einer Entwicklungs-maßnahme biszu deren Zielerreichung dargestellt.
Schaubild
Abb.: der Reaktionsverlauf einer Organisationsentwicklung (Becker/Labucay 2012, S. 8)
Bei allem Optimismus, den die Erfolge zeitigen, ist natürlich darauf hinzuweisen, dass bei jeder Intervention, die auf eine Entwicklung der Leitungsebene ausgerichtet ist,zu beachten ist, dass ein systemischer Berater lediglich den Raum einer Veränderungswirksamkeit aufzeigen kann, betreten müssen die Führungskräfte diesen Raumjedoch selbstständig.„Verändere,indemdu nichtveränderst“, heißt das Zitat von Helmut Willke (Willke 1992, S. 38). Vergessenwir niemals,dasssich soziale Systeme selbststeuern (vgl. Luhmann 1987). Wichtig ist es, die Patterns der sozialen Systeme zu erkennen und zu verstehen, um die Impulse zur Entwicklung pointiert setzen zu können. Grenzerfahrungen erhöhen in diesen Prozessen die Veränderungs-Wirksamkeit. „Die Wirklichkeit entstehtgemeinsam aus dem Dialog der Vielen“ (Bergmann 2009, S. 4).
Dennoch ist Optimismus angezeigt, wenn die Sinn-Vision sich in der Unternehmens-kulturverfestigt hat und zur Unternehmensphilosophie geworden ist. Das Unternehmen hat an strategischer Resilienz gewonnen.
Anmerkung: Bei der strategischen Resilienz geht es nicht um die Reaktion auf eine einmalige Krise. Es geht darum, kontinuierlich verborgene Entwicklungen zu antizipieren und sich an diese anzupassen. Es geht darum, die Fähigkeit zur Veränderung zu besitzen, bevor der Veränderungsfall mit aller Dringlichkeit zutage tritt (vgl.Willke 2011).
Das Feedback und die Dynamik der Selbstorganisation bleiben die Schlüssel zur Regulierung des Systems.

Der Artikel erschien in: Thiel, M./Pfeffer, C. M.: Die Navigation der Sinn-Vision.

In: Laske, S./Orthey, A./Schmid, M. (Hrsg.): PersonalEntwickeln

(Losebl.), Beitrag Nr. 4.72, Köln 2013

Die ISBN des Handbuchs lautet: 978-3-87156-298-3

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Autor: Mark Thiel (*1969)
Dipl. Betriebswirt, Supervisor DGSv
Seit 1994 freie Beratertätigkeit in der Führungskräfte-Entwicklung, diverse Branchen & Lehrerfahrung in Personal- & Unternehmensführung an Hochschulen Buchautor „Diversity Management“ & Zusatzausbildung zum Strategieberater Lehrtätigkeit am Institut für Humanistische Psychologie IHP
Autor: Carsten Marc Pfeffer
studierte Germanistik, Geschichte und Medienwissenschaften und lebt als freier Journalist und Autor in Bochum.